Ökoschieflage
Nicht allein CO2– und Methan-Emissionen gefährden unsere Lebenswelt, zahlreiche zum Leben und Wirtschaften wichtige Ressourcen/Rohstoffe werden in den nächsten 50 bis 100 Jahren deutlich knapper oder aufgebraucht sein: Wasser, diverse Metalle, diverse Chemikalien, seltene Erden, Energieträger, Brennstoffe aber auch Wohnraum und Atemluft.
Wie es generell um unseren Verbrauch an Ressourcen bezüglich der Vorkommen und deren Erneuerbarkeit auf der Erde steht, veranschaulicht nebenstehendes Schaubild.
Soll der ökologische Umbau unserer Gesellschaft gelingen, bedarf es einer gerechten, umfassenden, zukunftstauglichen Verteilungsstruktur.
Die Regelung über die Einberechnung der ökologischen Kosten nach dem Verursacherprinzip wirkt nur dann, wenn Geld und Besitz relativ gleichmäßig verteilt sind. – Das sind sie aber nicht.
Die extreme Ungleichheit führt dazu, dass Reiche sich trotz steigender Preise den Luxus der Ressourcenverschwendung „leisten“ können. Der zunehmende ungleiche Verteilung der „Vermögen“ entspricht eine ungleiche Verursachung der Umweltzerstörung, wie Oxfam kürzlich feststellte.[1]
Obdachlose oder Menschen mit geringem Einkommen fahren nicht Jetski auf dem Rhein, fliegen nicht zum Shoppen nach NY oder macht dreimal im Jahr Urlaub. Auch Kinder haben national wie international vergleichsweise eine gute Ökobilanz wie die Graphiken zeigen.
Vermögensschieflage
Geld ist ein Tauschmittel. Mit ihm erhält man Zugriff auf alle gesellschaftlichen Güter und Dienstleistungen. Wer nicht regelmäßig und ausreichend Geld bekommt, hat diesen Zugriff nicht. Er kann nicht an der Gesellschaft teilhaben. Er würde verhungern, auch wenn die Regale im Supermarkt voll sind.
Seit den 1970er Jahren hat der Unterschied zwischen dem ärmsten Teil unserer Gesellschaft und dem reichsten stark zugenommen. Sogar innerhalb der 10% Reichsten sind die Unterschiede extrem. Diese Unterschiede scheinen unwichtig, solange es auch armen Menschen in Deutschland doch viel besser geht als vor einigen Jahrzehnten, solange er nur relativ bleibt und keine realen Auswirkungen habe.
Der Schein trügt: Mit steigender Inflation, werden relative Ungleichheiten spürbar. Zudem entspricht Vermögensgefälle real ein Bildungsgefälle und ein Gefälle beim Zugriff auf Hightech, was strukturell zur Steigerung der Ungleichheit führt. Steigen aufgrund von Verknappung (wie derzeit aufgrund des Urkrainekrieges) die Preise, werden Viele Vieles nicht mehr kaufen können.
Zur Anhäufung von Kapital in den Händen Weniger, hat der französische Ökonom Thomas Piketty mit Hilfe anderer Ökonomen in seiner Schrift „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ eine umfassende Analyse vorgestellt. Er untersuchte Vermögens-Verteilungsdaten ausgehend vom 18. Jh. in England und Frankreich unter Hinzuziehung von Daten aus dem 19. Jh. von Deutschland, Japan, Kanada, Italien, Australien bis in die Gegenwart, d.h. 2010. [2]
Fazit der Analysen: in allen Ländern nimmt die Vermögensungleichheit besonders ab den 1970er Jahren kontinuierlich zu und erreicht 2010 nahezu wieder den Stand vom Beginn des 20. Jh’s, mit dem Charakteristikum, dass die Renditen höher sind als die Produktivitätssteigerung ( r > p ).
Einzig die beiden Weltkriege in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts bewirkten einen Ausgleich, – durch Zerstörung.
Das bedeutet, dass Menschen mit viel Geld entsprechend frei auf Ressourcen der Gesellschaft zurückgreifen können. Eine ökologisch bedingte Preiserhöhung würde diese nicht berühren, obwohl sie am meisten Ressourcen verbrauchen und Emissionen ausstoßen[1] und darüber hinaus durch ihre Investitionen das Emissionsgeschehen und den Ressourcenverbrauch entscheidend bestimmen.
Umgekehrt leisten sehr viele Menschen durch Verzicht viel zum Erhalt unserer Umwelt, ohne dass sie dafür einen Ausgleich erhalten, während wenige Reiche zugleich auch deren Lebenswelt zerstören. Mit der Einführung eines persönlichen Umweltkontos würde sich das ändern, indem es die Ökoschieflage und die Vermögensschieflage gegeneinander ausgleicht. Es wäre das erste Konzept nachhaltig sozialen Ausgleichs, das auf Recht basiert und nicht auf Almosen, ein Grundbaustein einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft.
Der Nobelpreisträger für Wirtschaft, Joseph Stiglitz, hält in seinem 2019 veröffentlichen Buch „Der Preis des Profits“ als Grundeinsichten aus dem neoliberalen Wirtschaften seit den 1970er Jahren fest:
„Je geringer die soziale Spaltung und Ungleichheit in einer Gesellschaft sind, umso größer ist ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.“ Desweiteren „müssen sich staatliche Programme, die Wohlstand für alle erreichen wollen, sowohl der Verteilung von Markteinkommen […] als auch auf Umverteilung konzentrieren.“ [3]
Motivationsschieflage
Wir Menschen sind Gewohnheitstiere. Unsere Gewohnheiten, viele Denk- und Entscheidungsmuster haben wir über hunderttausende von Jahren erlernt und kultiviert. Sie haben sich in unser Gehirn „eingebrannt“. Die durch die Evolution entwickelten neuro-psychischen Grundlagen unseres Verhaltens machen Veränderungen sehr schwer. [4]
Daher erreicht man mit guten Gründen und Aufbruchstimmung vielleicht 10% der Menschen, die ihr Verhalten zu verändern versuchen. Die hier thematisierten Probleme sind alle seit den 1970er Jahren bekannt und angemahnt worden. Dass zuwenig sich verändert, liegt nicht an mangelder Information bzw. Erkenntnis.
Freiwilliges Engagement wird durch das weiterhin ignorante Verhalten anderer zunichte gemacht. Freiwillige Verpflichtungserklärungen seitens der Industrie oder von Personengruppen bringen erfahrungsgemäß nahezu nichts.
Hinzu kommt der Gerechtigkeitsfaktor: Warum auch sollte irgendjemand z.B. seinen Energieverbrauch reduzieren, während z.B. Milliardäre zum Spaß in den Orbit heizen?
Obendrein treten die Folgen zivilisatorischer Tätigkeit allgemein mit Verzögerung auf, wie es Bernhard Verbeek bereits 1990 formulierte:
„Deren Zeitspannen sind:
zu lang, um das bewährte behavioristische Lernprogramm erfolgreich anwenden zu können. (Der innere Schulmeister schweigt, wenn das Klima erst Jahrzehnte nach der Schadstoffemission verrückt spielt)
zu kurz, als daß phylogenetische Anpassungen bei einem so langlebigen Lebewesen wie dem Menschen möglich wären.
Viele Folgen der Zivilisation sind schließlich
irreversibel, so daß nicht einmal die bewährte Plastizität kulturbedingter Werterhaltungen dann noch weiterhelfen könnte.“ [5]
Daher fordert er folgerichtig als „Ausstieg aus der Sucht“:
„Wenn […] die sozialen Systeme weiter bestehen sollen, muß eine stabilisierende Rückkopplung zum Erhalt der ökologischen Basis eingebaut werden, und zwar über das Recht. Die Folgen – auch und gerade die unangenehmen – müssen möglichst sofort auf den Verursacher zurückwirken. Ressourcen schonend, Eingriffe minimierend.“ [6]
Dazu könnte das hier vorgeschlagene Persönliche Umweltkonto (PUK) verhelfen.
Quellen
1 Dass z.B. der CO2-Verbrauch mit dem Einkommen steigt, darauf verweist das Magazin Spiegel in einem Bericht vom 6. Dez. 2018 hin, eine Studie des Bundesumweltamtes Nr. 39/2016 , eine Studie von Oxfam vom 21.09.2020. und die ARD-Sendung „Panorama“ vom 12.01. 2023.
2 Piketty, Thomas, „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ , Beck München 2014, 2. Auflage. „Le Captal au XXI siècle“, Edition du Seuil, 2013.
3 Stiglitz, Joseph, „Der Preis des Profits, Wir müssen den Kapitalismus vor sich selbst retten“, München 2019, S. 25
4 Dies hat bereits A.Schopenhauer immer wieder betont und findet nicht nur bei I. Eibel-Ebesfeld „Die Falle des Kurzzeitdenkens“ und bei G. Roth „Über den Menschen“, 2021, „Denken,Fühlen Handel“ , 2001, beispielsweise seine wissenschaftliche Darlegung.
5 Verbeek, Bernhard, „Die Anthropologie der Umweltzerstörung“, Darmstadt 1990, 2. Aufl. 1994, S. 220.
6 ebenda, S. 260.
Literatur, die ich zum weiteren Verständnis von PUK empfehle.